Arbeit, Arbeit, Arbeit!
Nach einem ganzen Winter am Schreibtisch habe ich einen Ausflug in die Arbeitswelt gemacht.
In einer Großbäckerei (Zulieferer einer großen Discounter-Kette), in welche mich eine Zeitarbeitsfirma vermittelt hat, war ich Teil einer Maschine – von früh bis spät die gleiche Bewegung im Stehen und Bücken, bis mir der Rücken weh tat und die Füße schmerzten. Aus einer Teigformstraße strömten auf Bändern handlange runde Hefeteigröllchen, und ich musste darauf achten, dass sie immer die gleiche Form hatten, gerade lagen und genügend Abstand zueinander hatten, immer zehn bis zwölf nebeneinander, auf etwa vier Metern Breite. Da die Dinger nun wirklich nicht regelmäßig aus dem Kneter tropften, sondern kreuz und quer lagen, musste ich von einer Seite zur anderen hetzen und aufpassen, dass mir kein quer liegendes oder verkrümmtes oder sonst wie missgestaltetes Ding entging, sonst würde die Käsestreumaschine, in die das Band als Nächstes lief, sie nicht richtig treffen. Hin und her springen, schnell, schnell, hinabbeugen wie in eine Tiefkühltruhe, oft ohne die Zeit, mich wieder aufzurichten. Schnell, damit mir keine Missgeburt durchgeht und unter dem Käsestreuer oder dem riesigen Backofen Schaden anrichtet. Die Hitze, die Schmerzen, die Hefe, der Mehlstaub in der Luft, Minute um Minute. Die Teigrollen in die Hand nehmen, gerade rücken oder aussortieren, wenn sie missgestaltet waren. Die Dinger sahen aus wie halbweiche blasse Pimmel und fühlten sich auch so an. Dreißig Reihen zu zehn Stück pro Minute, das sind 300 Teigröllchen, macht 18.000 in der Stunde. Wenn ich von meinen acht Stunden eine halbe Stunde Pause abziehe und noch die Sekunden einer eventuellen Unterbrechung, dann bleiben mindestens sieben Stunden, das sind 126.000 lauwarme, halbschlaffe Teigröllchen. Davon habe ich etwa ein Drittel in der Hand gehabt, um sie gerade zu rücken oder auszusortieren. 42.000 am Tag – man stelle sich vor, diese Anzahl halbsteifer Pimmel zu berühren. Meine Frau würde bestimmt auf sündige Gedanken kommen. Da werden die Hände rot vor Scham oder irgendwelchen unbekannten Backmitteln im Teig. Handschuhe gibt's nur bei Allergie, aber auch nur auf Anfrage bei Schichtbeginn.
Hinter mir in den Kisten mit dem Ausschuss fing die Hefe an, aufzugehen, und die Röllchen wurden größer, quollen auf, bewegten sich wie riesige Würmer, die versuchten, aus den Kisten zu klettern. Die mussten dann gegen Feierabend, wenn das Band endlich still stand, in den Abfall geschafft werden. Viele klebten dann am Boden, mussten abgelöst werden wie vollgefressene Riesenraupen, die sich mit vierzig Saugfüßen am Boden festhielten. Ich habe noch nie so viele Lebensmittel weggeworfen.
Lebensmittel? Ich werde mir wohl nie eins dieser Teigröllchen (später mit Käse überbacken, als Käsestangen im Angebot, immer fünf in einer Tüte) kaufen, um sie zu essen.
Eine Kollegin, die am Abend (Abend? Gemeint ist hier das ende von einer der drei Schichten – geschuftet wird rund um die Uhr. Die Dinger werden ja europaweit und bis nach Australien verkauft, zum Teil als Tiefkühlware zum Auftauen) zentnerweise Käsereste aus der Streumaschine klopfen musste, war so nett, mir eine Kiste mit Wegwerfkäse (das ist das Zeug, was man sich auf die Pizza streut) auf den linken Fuß zu stellen. Quetschung, Blase, schwarzer Fußnagel, Krankenschein, Rente. Nein, nicht Rente, sondern Kündigung – ich war ja noch in der Probezeit, und wer da krank wird, fliegt raus. Gottseidank!
Zurück an den Schreibtisch. Roman über einen Attentäter. Darauf habe ich plötzlich richtig Lust. Zwischendurch zur Erholung einen Nachmittag in den Botanischen Garten. Zwei Schmerztabletten, und der kaputte Fuß ist vorübergehend gebrauchsfähig.
Der Botanische Garten ist eine andere Welt. Gerade blühen die Tulpen, die Schwäne brüten und der Biergarten ist geöffnet. Schade – meinen Lohn bekomme ich erst in ein paar Wochen.
Endlich mal wieder eine ruhige Kugel schieben!
In einer Großbäckerei (Zulieferer einer großen Discounter-Kette), in welche mich eine Zeitarbeitsfirma vermittelt hat, war ich Teil einer Maschine – von früh bis spät die gleiche Bewegung im Stehen und Bücken, bis mir der Rücken weh tat und die Füße schmerzten. Aus einer Teigformstraße strömten auf Bändern handlange runde Hefeteigröllchen, und ich musste darauf achten, dass sie immer die gleiche Form hatten, gerade lagen und genügend Abstand zueinander hatten, immer zehn bis zwölf nebeneinander, auf etwa vier Metern Breite. Da die Dinger nun wirklich nicht regelmäßig aus dem Kneter tropften, sondern kreuz und quer lagen, musste ich von einer Seite zur anderen hetzen und aufpassen, dass mir kein quer liegendes oder verkrümmtes oder sonst wie missgestaltetes Ding entging, sonst würde die Käsestreumaschine, in die das Band als Nächstes lief, sie nicht richtig treffen. Hin und her springen, schnell, schnell, hinabbeugen wie in eine Tiefkühltruhe, oft ohne die Zeit, mich wieder aufzurichten. Schnell, damit mir keine Missgeburt durchgeht und unter dem Käsestreuer oder dem riesigen Backofen Schaden anrichtet. Die Hitze, die Schmerzen, die Hefe, der Mehlstaub in der Luft, Minute um Minute. Die Teigrollen in die Hand nehmen, gerade rücken oder aussortieren, wenn sie missgestaltet waren. Die Dinger sahen aus wie halbweiche blasse Pimmel und fühlten sich auch so an. Dreißig Reihen zu zehn Stück pro Minute, das sind 300 Teigröllchen, macht 18.000 in der Stunde. Wenn ich von meinen acht Stunden eine halbe Stunde Pause abziehe und noch die Sekunden einer eventuellen Unterbrechung, dann bleiben mindestens sieben Stunden, das sind 126.000 lauwarme, halbschlaffe Teigröllchen. Davon habe ich etwa ein Drittel in der Hand gehabt, um sie gerade zu rücken oder auszusortieren. 42.000 am Tag – man stelle sich vor, diese Anzahl halbsteifer Pimmel zu berühren. Meine Frau würde bestimmt auf sündige Gedanken kommen. Da werden die Hände rot vor Scham oder irgendwelchen unbekannten Backmitteln im Teig. Handschuhe gibt's nur bei Allergie, aber auch nur auf Anfrage bei Schichtbeginn.
Hinter mir in den Kisten mit dem Ausschuss fing die Hefe an, aufzugehen, und die Röllchen wurden größer, quollen auf, bewegten sich wie riesige Würmer, die versuchten, aus den Kisten zu klettern. Die mussten dann gegen Feierabend, wenn das Band endlich still stand, in den Abfall geschafft werden. Viele klebten dann am Boden, mussten abgelöst werden wie vollgefressene Riesenraupen, die sich mit vierzig Saugfüßen am Boden festhielten. Ich habe noch nie so viele Lebensmittel weggeworfen.
Lebensmittel? Ich werde mir wohl nie eins dieser Teigröllchen (später mit Käse überbacken, als Käsestangen im Angebot, immer fünf in einer Tüte) kaufen, um sie zu essen.
Eine Kollegin, die am Abend (Abend? Gemeint ist hier das ende von einer der drei Schichten – geschuftet wird rund um die Uhr. Die Dinger werden ja europaweit und bis nach Australien verkauft, zum Teil als Tiefkühlware zum Auftauen) zentnerweise Käsereste aus der Streumaschine klopfen musste, war so nett, mir eine Kiste mit Wegwerfkäse (das ist das Zeug, was man sich auf die Pizza streut) auf den linken Fuß zu stellen. Quetschung, Blase, schwarzer Fußnagel, Krankenschein, Rente. Nein, nicht Rente, sondern Kündigung – ich war ja noch in der Probezeit, und wer da krank wird, fliegt raus. Gottseidank!
Zurück an den Schreibtisch. Roman über einen Attentäter. Darauf habe ich plötzlich richtig Lust. Zwischendurch zur Erholung einen Nachmittag in den Botanischen Garten. Zwei Schmerztabletten, und der kaputte Fuß ist vorübergehend gebrauchsfähig.
Der Botanische Garten ist eine andere Welt. Gerade blühen die Tulpen, die Schwäne brüten und der Biergarten ist geöffnet. Schade – meinen Lohn bekomme ich erst in ein paar Wochen.
Endlich mal wieder eine ruhige Kugel schieben!
buecherdidi - 28. Apr, 07:35